Theatergastspiele Kempf GmbH
Wahlverwandtschaften
Schauspiel nach dem Roman von Johann Wolfgang von Goethe

Premiere in Unterhaching
17. September bis 10. Oktober 2010
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Bühne erstreckt sich bis auf die Zuschauerränge

Das Goethe-Stück "Wahlverwandtschaften" eröffnete die neue Saison und fand großen Anklang.

Kronach - Es war kein "Theater wie Kino", was die Theatergastspiele Kempf mit Goethes "Wahlverwandtschaften" zum Start der Kulturring-Saison boten - es war mehr! Was Silvia Armbruster mit ihrer Übertragung des Stücks auf die Bühne und als Regisseurin gelang, verdient höchste Anerkennung und wurde vom Kulturring-Publikum mit lang anhaltendem Applaus gewürdigt.
 
Die Handlung des Romans ist zunächst so einfach wie zeitlos: Der alternde, reiche Eduard hat seine junge Liebe Charlotte geheiratet und lebt mit ihr zurückgezogen auf seinem Schloss. Beide widmen sich der Gestaltung des Parks, wozu Eduard seinen alten Freund Otto einlädt, den er um Pläne für die Umsetzung bittet. Um ebenfalls Gesellschaft zu haben, holt Charlotte ihre junge Nichte Ottilie auf das Landgut. Schon nach kurzer Zeit fühlt sich Eduard zu Ottilie hingezogen und Charlotte zu Otto, was beide Paare zunächst weder sich noch den anderen Partnern eingestehen wollen: Die Natur muss im Zaum gehalten werden, um der Konvention zu genügen. Doch sowohl bei der Gestaltung des Parks wie auch in der Beziehung der beiden Paare setzt sich die Natur immer mehr durch. Doch sind die "Wahlverwandtschaften" mehr als ein Stück über eine Dreiecksbeziehung. Goethe macht sie zu einer Reflexion über die Liebe und die Frage nach moralischem Verhalten.
 
Immer wieder griff die Handlung aus dem streng abgesteckten Bühnenrechteck in den Raum: Indem die beiden Herren das neue Parkgelände aufmaßen und dabei über die Stühle der Zuschauer kletternd den Kulturraum erschlossen, wurde die Brücke zum Zuschauer und damit in die heutige Zeit nicht nur symbolisch geschlagen. Als Otto alle Besucher zum Mitsingen von Beethovens "Ode an die Freude" animierte, war der Bann gänzlich gebrochen. Überhaupt spielte die Musik eine ganz zentrale Rolle in Armbrusters Inszenierung. Diese zeichnete sich durch Leichtigkeit aus, gepaart mit einem Schuss Ironie und viel Witz.
 
Die Schlüsselszene des Ehebruchs schließlich war mit einfachen Mitteln so eindeutig und aussagekräftig gespielt, dass das tragische Ende fast absehbar wurde. So kann auch das Kind die Ehe nicht retten, der unsinkbare Kahn versagt seinen Dienst, und am Ende ergreift Ottilie die Flucht - sie kann mit der Schuld am Tod des Kindes nicht umgehen. Ein beeindruckender Start in die neue Kulturring-Saison!
 
msi - Fränkischer Tag Kronach, 20.10.2010
 
   

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Wahlverwandtschaften zeitlos aktuell inszeniert


NETTETAL. Die Formulierungen waren originalgetreu Goethe, und doch hatten die "Wahlverwandtschaften" in der Werner-Jaeger-Halle überzeitliche Aktualität. In Silvia Armbrusters Dramatisierung des Goethe-Romans beeindruckte das Ensemble der Theatergastspiele Kempf mit einem Schauspiel, das zum Vexierspiel heiterer, geradezu verspielter Elemente und tragisch aufwühlender Momente geriet.
 
Zuschauer einbezogen
 
Barbara Kaesbohrers Bühnenbild bot eine schlichte Spielfläche mit geringen Mitteln, aber dem anregenden Potential, darin einen malerischen Landsitz, entfernt liegende Orte und einen Kriegsschauplatz zu entdecken. Eingespielte Musik verdichtete das Atmosphärische im Wechselbad von heiterer Leichtigkeit und dramatischer Steigerung. Der Zuschauer wurde immer wieder stark einbezogen. Beim Eintreten war er mit den Darstellern Julia Jaschke, Hans Piesbergen, Christian Kaiser und Wenonah Wildblood konfrontiert. Sie saßen vis-a-vis zu ihm auf vier Stühlen auf der sparsam ausgestatteten, während des Abends niemals verdeckten Bühne. Der Zuschauerraum versank im Dunkel, und unversehens begann das Spiel. Unvermutet erheiternd war der darauf folgende heitere Parcours des sich liebenden Ehepaares Charlotte und Eduard. Beim unbeschwerten Zusammensein deutete sich ein erster Bruch an, als sie einander den Besuch der Nichte bzw. eines Freundes abrangen. Deren emotionale Not kündigte sich in kurzen Aufschreien an. Noch fern vom Landsitz waren sie bereits auf der Bühne. Denn fast bis zum Ende verließ keiner der vier Darsteller den Raum, es sei denn, um in die Zuschauerreihen vorzudringen. Lichtregie und Spiel rückten einzelne Szenen oder parallel verlaufende Entwicklungen ins Zentrum der Darstellung. Metaphern wechselten zwischen witzigen und tragischen Bezügen: Otto verschickte seine Nachricht mit einem Papierflieger, ohrenbetäubendes Hämmern symbolisierte Kriegslärm.
 
Wenonah Wildblood mimte die Nichte Ottilie als ein getriebenes, verstörtes Kind, das aufblüht, die Liebe entdeckt, aber an seinen Schuldgefühlen zerbricht. Julia Jaschke vollzog die emotionale Veränderung der wesentlich reiferen Charlotte. Eindringlich und variantenreich mimten Hans Piesbergen und Christian Kaiser die unterschiedlichen Charaktere Eduard und Otto. Genial war die Darstellung des doppelten Ehebruchs, halb verdeckt durch ein aufgespanntes Tuch, durch das sich die neuen Liebhaber in den ehelichen Liebesakt einspielten. Das Ensemble machte das Thema des Goethe-Romans in seiner bleibenden Kraft für aktuelle Fragen bewusst.
 
(anw) - Rheinische Post, 15.10.2010
 
   

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Zeit spielt keine Rolle

Publikum begeistert

BAYREUTH. Vier Stühle. darauf vier Schauspieler, sehr ernst blickend, fast bewegungslos im ansonsten leeren Raum. Unten ein Teppich, laubfarben gesprenkelt - aber nein: da liegt wirklich so etwas wie Laub, später, als alles zu spät ist und Krieg herrscht, sehen wir es spritzen. Allein es beginnt sehr ruhig - um sich fulminant zu steigern.
 
Am Mittwochabend wurde so das Herbstabonnement in der Stadthalle eröffnet: "Die Wahlverwandtschaften" nach Goethes Roman, ein Theaterabend. "Solche Unternehmungen sind Wagstücke", wie es einmal sinnvoll heißt. Das Wagstück gelingt, denn die Bearbeitung, die Goethes revolutionärer Roman durch die Dramaturgin und Regisseurin Silvia Armbruster erfahren hat, lässt nur die vier Hauptrollen übrig - aber was heißt hier "nur? Julia Jaschke als Charlotte, Hans Piesbergen als Eduard, Christian Kaiser als Otto und Wenonah Wildblood als Ottilie spielen das Beziehungsquartett, das Publikum in der Stadthalle ist begeistert. Man versteht's, denn szenisch und schauspielerisch ist der Abend aus einem Guss.
 
Die Beziehungstragödie duldet keine klassischen Szenenwechsel, aber raffinierte Übergänge. Man spielt mit einfachsten Requisiten - ein großes Tuch kommt zu Ehren, hinter dem Eduard und Charlotte doppelten geistigen Ehebruch begehen, wozu der Bolero rauschhaft züngelt. Überhaupt der Tanz: Eine der zentralen Szenen, die Annäherung der beiden Paare, geschieht im Goetheschen Gespräch - und in einer raffinierten, sich erotisch steigernden Choreographie. Es gibt "Wahlverwandtschaften"-Ballette, diese Inszenierung bietet ein Schauspiel mit Musik und Tanz, das verständlich macht. wieso der Tanz ein Medium der Liebe und der Verfallenheit ist.
 
Man hört nicht nur Ravel. Den ersten Teil des Abends, wo es noch scheinbar leicht hergeht und das Ehepaar sich eine Regenschirm-Pantomime schenkt, skandiert ein minimalistisch wie charmanter Walzer von Michael Nyman. Derweilen sitzt allerdings schon der Hauptmann wie ein nervöser Affe auf dem Stuhl, die Uhr vor sich hin baumelnd, wie alle Protagonisten den gesamten Abend auf der Bühne anwesend sind: Auch das gibt ihm Spannung. Zwischendurch steigt man durchs Parkett, über die Zuschauer hinweg (die "enge Anlage" des Englischen Gartens), animiert das Publikum zum Absingen der Ode an die Freude und reicht Rosen durch den Saal.
 
Die Fallhöhe der Komplikationen ist ungeheuer: Am Ende, nachdem Ottilie das Kind Eduards und Charlottes im Wasser verloren hat (eine beeindruckende Riesentuchnummer), steht nur noch der traurige Monolog der Kindfrau Ottilie, die sich zu einem Song von Melanie aus dem Saal stürzt.
 
Goethes Wahlverwandtschaften: In dieser schauspielerisch eloquenten Interpretation trägt das Drama die Züge eines Stücks von Arthur Schnitzler. Die Stilmittel aber sind vielfältig. Wenn man nicht tanzt, erzählt man sich auch mal die Geschichte. So bricht das Epos im V-Effekt die "Einfühlung', der man sich allerdings schwer entziehen kann. "Otto sollte fort. Alles sollte leer werden." Man kann das sehr gut verstehen. Die Zeiten wechseln - aber wenn vier Spieler das Dilemma der Wahlverwandtschaft so spannungsvoll herausspielen können, spielt die Zeit keine Rolle mehr. Starker Applaus!
 
Von Frank Piontek - Nordbayrischer Kurier Bayreuth, 15.10.2010
 
   

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Gefühle wider die natürliche Ordnung


Bayreuth. Johann Wolfgang von Goethes Roman "Wahlverwandtschaften" ist gut 200 Jahre alt. Wie ein modernes Stück über Gefühle, die der natürlichen Ordnung einen dicken Strich durch die Rechnung machen, kommt indes die Geschichte in der Fassung daher, die Silvia Armbruster für die Theatergastspiele Kempf dramatisiert und in Szene gesetzt hat. Das frische Spiel der vier Darsteller kommt gut an in der Bayreuther Stadthalle: Die Zuschauer spenden reichlich Applaus.
 
Auf nahezu leerer Bühne agieren die Figuren: ein schwarzer Raum, gesäumt von kleinen hölzernen Bilderrahmen, die im Laufe der Vorstellung mit wenigen Requisiten geschmückt werden; auf dem Boden duftender Rindenmulch, der mal als Garten dient, mal als Schützengraben. Mehr braucht es nicht, um das fast ausschließlich auf einen Schauplatz beschränkte Liebes-Wechselspiel zu entfalten. Wesentlich ist natürlich das gekonnte, überzeugende Spiel der vier Protagonisten: Hans Piesbergen als Eduard, der nach überstandener Zwangsehe endlich seine Jugendliebe Charlotte geheiratet hat und sich doch leidenschaftlich in deren Nichte Ottilie verliebt. Wenonah Wildblood wandelt sich als Ottilie ausdrucksstark vom naiven Mädchen zur verzweifelten jungen Frau. Julia Jaschke, die als Charlotte ganz in ihrer Ehe aufgeht und sich doch der Anziehungskraft von Otto nicht gänzlich entziehen kann. Christian Kaiser spielt Otto als nüchternen Planer, der sich unversehens in eine ungeplante Verliebtheit verstrickt sieht.
 
Silvia Armbruster setzt in ihrer Inszenierung auch auf die komischen Momente des Stoffes. Den Schluss mildert sie scheinbar ab: Weder Ottilie noch Eduard sterben, sondern leben - nach dramatischen Begebenheiten - weiter. Man fragt sich, was gnädiger ist.
 
Von Kerstin Starke - Frankenpost, 15.10.2010
 
   

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Nuancenreiche Gefühlsausbrüche

Das Ensemble von Theatergastspiele Kempf begeistert. Viel Beifall für eindrucksvolle Darstellung von Goethes "Wahlverwandtschaften"

Charlotte und Eduard, ein vornehmes Ehepaar, spazieren ausgelassen über die Bühne. Beschwingte Musik spielt im Hintergrund. Immer wieder halten die beiden Darsteller inne, umarmen und küssen sich.
 
Die Zuschauer des Schauspiels "Wahlverwandtschaften" nach dem gleichnamigen Roman von Johann Wolfgang von Goethe erleben in den folgenden 110 Minuten, wie die glückliche Verbindung der Ehegatten zerbricht und Leere bei den Betroffenen zurückbleibt. Meisterhaft gelingt es dem Ensemble von Theatergastspiel Kempf, glaubhaft und sehr einfühlsam darzustellen, wie sich die Beteiligten verändern. "Wir fassten den festen Vorsatz, nur uns selbst zu leben", erinnert Charlotte ihrem Mann. Der möchte seinen langjährigen Freund Otto als Architekten auf dem Landsitz verpflichten. Sie befürchtet: "Ich fühle, dass eine Ahnung mir nichts Gutes vorhersagt. Mir sind leider Fälle genug bekannt, wo eine innige und unauflöslich scheinende Verbindung zweier Wesen, durch Zugesellung eines dritten, aufgehoben ward." Doch der Ehemann setzt sich durch.
 
Hans Piesbergen spielt den Eduard in bester Manier. Leidenschaften bestimmen dessen Handlungen. Seine nuancenreichen Gefühlsausbrüche zeigen sein großes schauspielerisches Können. Gebannt verfolgt das Publikum, wie die ungezügelten Empfindungen eine selbstzerstörerische Energie entfachen. Im Kontrast dazu steht das Bemühen von Architekt Otto: "Bauen wir gemeinsam eine Welt der Schönheit, Ordnung, Liebe und Harmonie.", fordert er und lässt Rosen im Publikum verteilen. Er bringt sogar die Zuschauer dazu, "Freude schöner Götterfunken" laut zu singen. Bald stößt die schüchterne Ottilie, Charlottes Nichte, zu der Gruppe. Spätestens jetzt nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Der Bolero von Ravel dringt aus Lautsprechern, und die beiden Paare tanzen über die Bühne. Sie zeigen mit Blicken, kurzen Ansprachen und Partnerwechsel, dass sich die Eheleute trennen und zwei neue Paare entstehen werden. Charlotte und Otto fühlen sich zueinander hingezogen. Julia Jaschke kommt als Charlotte schauspielerisch sehr gut an. Die innere Zerrissenheit zwischen tiefer Zuneigung, Trennungsschmerz und der Hoffnung, den "alten Zustand" durch eine Schwangerschaft wieder herzustellen, stellt sie lebensecht dar. Ganz anders entwickelt sich die Liebe zwischen Ottilie und Eduard. Voller Verliebtheit vergessen sie die Welt um sich. Als deutlich wird, dass sie ihre Leidenschaft nicht ausleben können, brechen sie zusammen. Mit lang anhaltendem Beifall dankt das Publikum für die eindrucksvolle Darstellung.
 
Ernst-Diedrich Habel - Goslarsche Zeitung, 13.10.2010
 
   

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Bravo-Rufe für tolle Darsteller

Wer bisher glaubte, Goethes "Wahlverwandtschaften" würden sich eher dem Leser öffnen als dem Theaterbesucher, wird seine Meinung ändern müssen.

Silvia Armbruster hat den tragischen Liebesroman von 1809 dramatisiert und inszeniert und eine wunderbar leichte Aufführung geschaffen, zugleich lustig und traurig, ironisch und romantisch. Sie choreografiert atmosphärisch dichte Bilder, wagt elegante kleine Albernheiten, überrascht mit immer neuen Einfällen. Sie lässt ihr exzellentes Darsteller-Quartett ausgelassen tanzen, singen (auch das Publikum stimmt kräftig mit ein in "Freude, schöner Götterfunken") und voller Hingabe leiden.
 
Heftiger Applaus und Bravo-Rufe für Julia Jaschke (Charlotte), Hans Piesbergen (Eduard), Wenonah Wildblood (Ottilie) und Christian Kaiser (Otto).
 
(km) - Wolfsburger Allgemeine Zeitung, 1.10.2010
 
   

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Liebeswirren im Garten der Leidenschaften

Starker Beifall für Silvia Armbrusters Goethe-Fassung

MITTE-WEST. "Goodbye, Ruby Tuesday" - zur Interpretation des Stones-Songs durch die Sängerin Melanie verlässt Ottilie, die junge Geliebte Eduards aus Johann Wolfgang Goethes Wahlverwandtschaften, das Viereck von Beziehungen und die Bühne. Ein dramaturgischer Brückenschlag, der akustisch und gedanklich fast zwei Jahrhunderte überwindet. Und der das stets aktuelle Thema alte und neue Liebe, Finden und Verlassen, verbindet.
 
Konflikte hautnah
 
Silvia Armbruster hat den Roman, der von seinem Ansatz eine Tragikomödie ist, szenisch umgesetzt. Durch kleine Details, manchmal auch unterschwellig, hat sie die Zeitlosigkeit und den emotionalen Sprengstoff der Handlung mit vier sensibel agierenden Schauspielern inszeniert. Im Laufe der dramatischen Liebeswirren erlebt das Publikum - durch Hans Piesbergen als Eduard, Wenonah Wildblood in der Rolle der Ottilie, Julia Jaschke als Eduards Ehefrau Charlotte und Christian Kaiser als deren Geliebter Otto - die scharf gezeichneten Konfliktsituationen hautnah mit.
Mehr noch: Armbrusters Wahlverwandtschaften belassen die Zuschauer nicht in ihrer reinen Beobachterrolle. Sie integrieren sie - partiell - geschickt ins Geschehen. So wird der Zuschauerraum zum (fiktiven) Garten von Julias Anwesen, den Architekt Otto umgestalten soll.
In den "Wahlverwandtschaften" beschreibt Johann Wolfgang Goethe am Beispiel eines Ehepaares. das auf einem ländlichen Anwesen wohnt, die Wirkung und Auswirkung körperlicher und emotionaler Anziehungskraft, die bürgerliche Moralvorstellungen außer Kraft setzt. Was zu schwierigen und gleichzeitig beglückenden Konstellationen führt.
 
Kreatives Bühnenbild
 
Den Spannungsbogen zwischen himmelhohem Jauchzen und tiefster Betrübtheit schafft das Stück durch Schauspieler, die ihren Figuren unverwechselbares Profil verleihen. Zudem verdankt es seine Wirkung einer Regisseurin (Silvia Armbruster) und einer Bühnenbildnerin (Barbara Kaesbohrer), die durch kreative Ideen die Wahlverwandtschaften in einen optimal passenden dramaturgischen und optischen Rahmen gesetzt haben. Starker Beifall.
 
Von Andreas Stolz - Wolfsburger Nachrichten, 1.10.2010
 
   

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Was regiert den Menschen, das Naturgesetz oder das Sittengesetz?

Goethes "Wahlverwandtschaften" beeindruckten im KTS
 
Nordhorn. Es gibt Randbezirke unserer Gesellschaft, da ist der Partnertausch nicht mehr als ein frivoles Spiel. Doch das ist auch heute nicht der Normalfall und war es schon gar nicht Anfang des 19. Jahrhunderts, als Goethes kühner Roman "Die Wahlverwandtschaften" (1809) erschien - und auf wenig Gegenliebe und viel Unverständnis stieß. Goethe spielt, angestoßen durch Gesetzmäßigkeiten im Reich der chemischen Elemente, ein menschliches Experiment durch: Trifft das Pärchen A/B auf die neu hinzutretenden Elemente C plus D und es kommt zu einer Anziehung über Kreuz, entstehen dann naturnotwendigerweise die neuen Paarungen A/D und B/C, oder siegen Anstand, Sitte und Moral über Trieb und erotisches Verlangen? Hat der Mensch die Freiheit, sich dem naturgegebenen Getriebensein zu entziehen? Goethes Antwort heißt Entsagung; eine Entsagung, teils erzwungen, teils freiwillig, immer aber unter Gewissensbissen und Schmerzen und Lebensbrüchen.
 
Daran rüttelte auch Silvia Armbruster nicht, die den Roman für die Bühne dramatisiert und inszeniert hat; ein mutiges Experiment, das ihr ebenso gelungen ist wie Goethe das seine. Man muss anerkennen - wie das beeindruckte Publikum im KTS -, dass in alter Goethe-Sprache ein modern-symbolhaftes Spiel um Ehebindung und neue Liebe, um Getriebenheit und unschuldsvolle Hingabe, um Pflichtbewusstsein und Entsagung entstanden ist.
 
Die namhafte Regisseurin Silvia Armbruster hatte ihre Inszenierung unter das Motto "Kontraste" gestellt. Die Hell-Dunkel-Kontraste des phantasieoffenen Bühnenbildes (Barbara Kaesbohrer); der Gegensatz zwischen der gravitätisch-gemessenen Sprache des Romans und der modernen, teilweise eruptiven Körpersprache; das Auseinanderklaffen von erzählter Handlungsrealität und Bühnenrealität mit spielzeughaft-symbolischen Mitteln - diese Kontraste waren nicht nur reizvoll, sie verhinderten zugleich ein Abgleiten in Realität vorgaukelnde und Gefühle eins zu eins imitierende Peinlichkeiten. Die Art und Weise, wie im Bolero-Tanz die Paare sich über Kreuz näher und näher kamen; der doppelte Ehebruch in der Beischlafszene, in der Eduard und Charlotte ein Kind mit den Zügen Ottos und Ottilies zeugen - das waren Regieeinfälle, die das laszive Wachstum der neuen Liebesbeziehungen eindringlich vor Augen führten. Das Spiel war auf die vier Hauptrollen und ihre vier Darsteller zurückgeschraubt. Hans Piesbergen (Eduard) spielte den unverdient reich gewordenen, verzogenen und in verspäteter Liebesheirat genießenden Baron überzeugend wie einen großen Jungen, dem man sein neues Lieblingsspielzeug nicht gönnen will. Julia Jaschke (Charlotte) verlieh seiner Jugendliebe Charlotte eine schillernde Mischfarbe aus Pflichtbewusstsein und Neigung, aus Entsagung und erotischem Verlangen, alternd und anziehend zugleich. Christian Kaiser gab den rechtschaffenen, geradlinigen Hauptmann Otto, der von der Zuneigung zur Frau seines Freundes überrumpelt wird, Wenonah Wildblood war das scheue und demutsvolle Mädchen, das sich in naiver Unschuld ihrer ersten großen Liebe (zu einem erfahrenen Mann) hingibt, dabei schuldlos schuldig werdend.
 
Die sehenswerte Inszenierung war eine positive Überraschung. Sie brachte uns Heutigen die Goethesche Menschenkonstellation näher als der Roman.
 
Von Bernd Durstewitz - Grafschafter Nachrichten, 30.9.2010
 
   
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Tiefgang, Spannung und Unterhaltung

Landsberg Inszenierungen klassischer Stoffe sind im Landsberger Stadttheater stets beliebt und gut besucht. Eine Aufführung eines solchen Stoffes, nämlich der „Wahlverwandtschaften“ von Johann Wolfgang von Goethe, wurde von den Theatergastspielen Kempf aus Grünwald bei München auf die Landsberger Bühne gebracht. Eine Dramatisierung des Romans von Silvia Armbruster, die sowohl Tiefgang als auch Spannung und Unterhaltung bot.
 
Ganz schön modern erscheint uns dieses alte Thema der Wahlverwandtschaften. Ein gereiftes Ehepaar in zweiter Ehe richtet sich eine vermeintliche Idylle auf dem Lande ein und will daran noch einen Jugendfreund und eine Nichte teilhaben lassen, die man als Gäste lädt - und schon gerät alles ins Wanken, Ehe, Ideale, Werte und Visionen, bis am Ende nur ein Scherbenhaufen bleibt. Goethes Sehnsucht nach der natürlichen Liebe und Erotik ohne die Zwänge von Verantwortung, Moral und Gesetz (vor allem des älteren Mannes mit einer wesentlich jüngeren Frau) äußert sich hier recht unverbrämt und ist eindeutig autobiografisch geprägt. Dass diese Freiheit in der wirklichen Welt jedoch nicht funktioniert, zeigt das Ende, und der alternde Dichter gesteht sich dies in seinem Roman selbst ein.
 
Sehr wenige einfache Requisiten
 
Die Theatergastspiele Kempf brauchen für ihre Darstellung nur sehr wenige, einfache Requisiten, die vier Figuren lassen Szenarien wie Garten, Fest, Landsitz, Seeufer oder Reiseweg durch ihr intensives Spiel entstehen. Die Bühne ist nahezu leer, ein Brief wird als Papierflieger versandt, ein Pferd wird durch Galoppieren des Darstellers angedeutet, ein Brett mit unebener Unterlage wird zum kippligen Boot, ein blau hinterleuchtetes Tuch zum welligen See. Die einfachen Mittel der Inszenierung (Bühnenbild: Barbara Kaesbohrer) bezaubern die Zuschauer und lassen immer wieder Zwischenapplaus aufbranden. Um den Garten zu begrünen werden gar Rosen im Publikum verteilt, bis in die Ränge hinauf, und die Figuren Eduard und Otto (Hans Piesbergen und Christian Kaiser) steigen mitten in die Zuschauerreihen. Zur Feier der Einweihung des Gartens wird sogar das Lied „Freude schöner Götter Funken“ gemeinsam angestimmt, das Publikum übernimmt die Rolle der Festgäste. Diese Einbeziehung gelingt meisterlich, ohne Bruch der Illusion.
 
Julia Jaschke (Charlotte), Hans Piesbergen (Eduard), Wenonah Wildblood (Ottilie) und Christian Kaiser (Otto) spielen mit solcher Intensität, dass ihnen das Publikum gebannt überallhin folgt. Vor allem sind es ja innere Entwicklungen und Handlungen, die dargestellt werden. Die Sprache Goethes bleibt und wirkt ganz modern, wie im Zeitraffer werden Beziehungsentwicklungen treffend durch tänzerische Bewegungen der Paare über die Bühne dargestellt. Gekonnt wird mit Klischees aus dem Film gespielt, wie dem Einsatz von Ravels Bolero zur Darstellung der zunehmenden erotischen Spannung zwischen den Paaren oder der „Titanic-Geste“ Charlottes mit ausgestreckten Armen im Ruderboot. Selbst wenn die Figuren sich einfach nur hinsetzen und ihre innere Entwicklung erzählen, wie sie im Roman steht, wirkt das spannend und lebendig.
 
Eine beeindruckende Umsetzung des Goethe-Stoffes, minimalistisch, intensiv, kreativ, zeitgemäß, voller Überraschungen und dabei ganz dicht am Original.
 
Von Bärbel Knill - Augsburger Allgemeine, 25.9.2010
 
   
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