Theatergastspiele Kempf GmbH
Venedig im Schnee
Komödie von Gilles Dyrek
Deutsch von Annette und Paul Bäcker

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Zuschauer erleben rasante Gesellschaftssatire
Absurdes Theater mit kritischem Hintergrund treibt Publikum Lachtränen in die Augen
Die Darsteller brillierten sowohl spielerisch als auch sprachtechnisch.

Delmenhorst. Gesellschaftskritik einmal anders. Intelligent verpackt in rasantem Boulevardtheater präsentierten die Theatergastspiele Kempf in Kooperation mit der Komödie Düsseldorf das Stück "Venedig im Schnee" und lieferten das Bild einer Gesellschaft, die den Blick vor der Wirklichkeit verschließt und sich eine Welt "bastelt", die ihr passt.
 
Die Komödie des Franzosen Gilles Dyrek, die 2003 uraufgeführt wurde, bietet dem Zuschauer kurzweiliges, absurdes Theater mit erschreckendem Hintergrund. Der Plot ist eigentlich simpel. Wer hat es nicht schon einmal erlebt, dass er einer Einladung nur dem Partner zuliebe folgt. Bei Patricia und Christophe hat das im Vorfeld gar zu einem handfesten Streit geführt. Sie hat nämlich überhaupt keine Lust, den Abend bei Christophes ehemaligem Studienkollegen Jean-Luc, den dieser nach zehn Jahren zufällig wieder getroffen hat, zu verbringen.
 
Die Stimmungen der beiden Paare könnten nicht unterschiedlicher sein. Während bei Christophe und Patricia Eiszeit herrscht, busseln sich Jean-Luc und Nathalie, die in drei Wochen heiraten wollen, weltentrückt durch den Abend. Patricia will flüchten, schafft aber den "Absprung" nicht. So boykottiert sie eben die Unterhaltung durch Schweigen.
 
Für die Gastgeber ist die Sache klar: Patricia muss Ausländerin sein und versteht kein Französisch, darum spricht sie nicht. Ein absurdes Spiel beginnt. Patricia nimmt die ihr zugewiesene Rolle an, mimt mit Inbrunst und herrlicher Sprachakrobatik die Bürgerin des angeblich ehemaligen Teils Jugoslawiens, Schatzikistan. Schatzikistan in Anlehnung daran, dass sich Nathalie und Jean-Luc ständig wahlweise Schätzchen, Schatzi oder Schatzilein nennen. Die Gastgeber drängen Patricia "Spenden" auf - von ihnen ungeliebten Dingen. Sie sind von ihrer eigenen Großmütigkeit so beeindruckt, dass sie die Wahrheit, die Christophe ihnen genervt entgegen schmettert, nicht wahrhaben wollen. Im Gegenteil, sie überbieten sich weiter im "Geben" und "Helfen" - aber bitte nur so, dass es das eigene Wohlbefinden nicht beeinträchtigt. Darüber geraten sie derart in Streit, dass die Hochzeit gefährdet scheint, Um die Absurditäten zu komplettieren, schließen Patricia und Jean-Luc eine Wette. Wenn es der vermeintlichen Schatzikin gelingt, von Nathalie ihre geliebte Schneekugel mit dem Venedigmotiv zu bekommen, wird geheiratet. Natürlich gewinnt Patricia.
 
Unter der Regie von Ulf Dietrich bot ein Quartett, das sowohl spielerisch als auch sprachtechnisch brillierte, eine Gesellschaftssatire, die den meisten Zuschauern immer wieder die Lachtränen in die Augen trieb.
 
Kathrin Spielvogel als Gastgeberin Nathalie war der Inbegriff der Naivität: Was ich sehe, muss so sein - alles, was mein Bild ins Wanken bringen könnte, blende ich aus. René Hofschneider als Bräutigam Jean-Luc war die perfekte Ergänzung seiner so oberflächlichen Braut. Matthias Freihof als Christophe war auch nur begrenzt bereit, für die Wahrheit zu kämpfen, am Ende ist ihm der eigene Vorteil - die Heirat mit Patricia -wichtiger. Christina Rainer schließlich glänzte als Patricia. Das zeigte sich durch lang anhaltenden Applaus begeistert von dem witzig, intelligenten Treiben auf der Bühne.
 
Von Heide Rethschulte - Weser-Kurier, 6.3.2009
 
   
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Großartiges Ensemble begeistert mit Spielwitz und guter Laune

Iserlohn. Ein Abend, eigentlich gedacht als Wiedersehen alter Studienfreunde, gerät völlig aus den Fugen, und zwei Paare müssen am Ende ihre Lebensplanung völlig neu überdenken. Das könnte in Kurzform die Wiedergabe der Komödie "Venedig im Schnee" sein, die am Freitagabend im ausverkauften Parktheater für reichlich gute Unterhaltung beim Publikum sorgte.
 
Das lag ganz sicher an den vier bestens agierenden Schauspielern, die dieser Komödie des französischen Erfolgs-Autors Gilles Dyrek den nötigen Schwung und eine gehörige Portion Leben eingehaucht haben. Jean-Luc (René Hofschneider) und Nathalie (Kathrin Hofschneider) sind ein Liebespaar kurz vor dem Hochzeitstermin. Da wird geküsst, und kein Satz ohne "Schatzi" kommt über ihre Lippen. In dieses traute Glück kommt Ex-Studienfreund Christophe (Matthias Freihof) mit seiner missgelaunten und daher sprachlosen Freundin Patricia (Christina Rainer). Ihr merkwürdiges Verhalten lässt das Liebespaar vermuten, dass es sich bei Patricia um eine Ausländerin handelt.
 
Wie sich nun die ganze Palette an Verhaltensklischees gegenüber armen Ausländern entfaltet und nebenbei das Beziehungstraumschloss der Gastgeber zusammenbricht, ist wirklich gnadenlos komisch.
 
Von Ulrich Steden, Iserlohner Kreisanzeiger, 22.03.2009
 
   

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Böse und hinreißend komisch
Bissig und intelligent

Ulf Dietrich inszeniert Satire temporeich und raffiniert

Es gibt sie doch: Intelligent-bissige Boulevard-Stücke und kluge Regisseure, die mit guten Akteuren Top-Unterhaltung liefern. Genau das geschah am Samstag im Wolfsburger Theater mit der Komödie "Venedig im Schnee" des französischen Autors Gilles Dyrek.
 
Wir alle kennen die Paare, die mit ständigem "Schatzi"-Gesäusel ihre Umgebung nerven. Nathalie und Jean-Luc sind solch ein Paar. Die Zwei haben ein anderes Paar zum Essen eingeladen. Unglücklicherweise stecken Patricia und Christophe mitten in einer Krise, und Patricia trägt ihre schlechte Laune stumm wie ein Fisch vor sich her. Prompt vermuten die Gastgeber, sie sei Ausländerin und verstehe ihre Sprache nicht. Jetzt leckt Patricia Blut und beginnt radebrechend ein perfides Spiel als angeblich aus "Schatzikistan" stammender, illegal in Frankreich lebender Flüchtling. Sie versprüht mit süßestem Lächeln Gift, tischt die absurdesten Lügen auf, lässt Nathalie und Jean-Luc gnadenlos in die aufgestellten Fallen tappen. Die von Ulf Dietrich temporeich und raffiniert inszenierte Satire ist von einer hinreißend bösartigen Komik, spießt Verhaltensmuster und Vorurteile auf und bietet vier Darstellern allerbestes Rollenfutter.
 
Kathrin Spielvogel und René Hofschneider sind wunderbar überzogen die Turteltäubchen, deren bevorstehende Hochzeit nun durchaus gefährdet scheint. Christina Rainer brilliert als Patricia, die die heile Welt ihrer Gastgeber krachend zum Einsturz bringt, und Matthias Freihof als Christophe muss widerwillig und in satter Verzweiflung in den Part des Komplizen seiner Freundin rutschen.
 
Wolfsburger Allgemeine, 22.3.2009
 
   

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Satirische Selbstentlarvung
Lachsalven bei "Venedig im Schnee" im Nienburger Theater

Nienburg. Stürmische Heiterkeit und befreiendes Gelächter gab es am Donnerstagabend im Theater auf dem Hornwerk. Die "Komödie Düsseldorf' brachte "Venedig im Schnee" von Gilles Dyrek in der 'Übersetzung von Annette und Paul Bäcker. Regie führte Ulf Dietrich. Die Tourneeleitung lag bei den "Theatergastspielen Kempf" (Grünwald).
 
Die Studienfreunde Jean Luc und Christophe treffen sich nach Jahren wieder. Mit von der Partie sind Jean-Lucs Verlobte Nathalie und Christophes Freundin Patricia. Jean-Luc und Nathalie umturteln einander mit Kosenamen und Küsschen hin und Küsschen her. Christophe und Patricia haben sich auf dem Herweg gestritten, sie ist in frostiger Stimmung. Während die beiden Männer sich lachend an ihre Studienzeit erinnern, erstarrt Patricia, die die Turtelei anwidert, zur Salzsäule. Jean-Luc und Natalie glauben, die Starrheit Patricias dadurch erklären zu können, dass sie Ausländerin sei. Als diese merkt, was vorgeht, lässt sie sich in satirischer Ansicht auf das Spiel ein. Sie mimt eine geflohene Frau aus dem imaginären Land Schatzikistan im ehemaligen Jugoslawien und äußert sich in einem ad hoc erfundenen südslawischen Idiom. Christophe versucht vergeblich, sie von ihrem Trip abzubringen. Bei Nathalie und Jean-Luc löst Patricias Verhalten irrwitzige Reaktionen aus: Sie sprechen mit ihr in einem bemühten Primitivjargon ("Du-jetzt-essen!") und auf Englisch, tauschen betuliche Betrachtungen über das Schicksal der geflohenen Frau aus und ergehen sich gänzlich uninformiert in haltlosen Betrachtungen über die Ereignisse auf dem Balkan. Den vermuteten fremden Sitten der Frau zollen sie in der Manier guter Multi-Kulti-Menschen bemühte Töleranz. Auf dem Höhepunkt der Handlung stapeln sie für die geflohene Frau nutzlose Hilfsgüter auf: Wolldecke, Pulli, Kuckucksuhr, T-Shirts, eine Tasche mit (abgelaufenen) Medikamenten, ein Scheck über 35 Euro, eine defekte Kaffeemaschine, ein Ölgemälde, eine CD, Wandbehang, Fernseher und zwei Schneekugeln (Venedig und Versailles).
 
Währenddessen ändern sich die Verhaltensweisen der beiden Paare: Christophe schickt sich ins Unvermeidliche und spielt die Komödie in der Komödie mit, er und Patricia nähern sich wieder an und wetten, wie weit sie es treiben können. Wettpreis ist ein Heiratsversprechen. Nathalie bricht die Turtelei ab und wagt den Aufstand. Angesichts der Egozentrik von Jean-Luc schreit sie: "Du sollst nicht Schatzi zu mir sagen, ich heiße Nathalie!"
 
Das Thema des sehr ernst zu nehmenden Stückes aus dem Jahr 2003 ist die unabsichtliche Selbstentlarvung einer weitverbreiteten Haltung Ausländern gegenüber, die gemischt ist aus Borniertheit, Pseudotoleranz und herablassend geäußerter Überheblichkeit, die sich als Hilfsbereitschaft geriert. In der Theaterliteratur ist diese Art von Komödie etwas Neues. Allenfalls gibt es Ansätze zu Ähnlichem bei Jean-Paul Sartre (z.B. in "Geschlossene Gesellschaft" und "Kean"). So komisch der turbulente Klamauk ist, verlangt er doch vom Publikum ein hohes Maß an Konzentration und die Bereitschaft, auch eigene Verhaltensweisen satirisch entlarvt zu sehen.
 
Rene Hofschneider spielte den Jean-Luc: Als Verliebter wieselt er bemüht herum, und als er immer weniger versteht, was vorgeht, gerinnt seine Mimik zu einem absolut bescheuerten Ausdruck. Kathrin Spielvogel gestaltete die Nathalie: Anfangs von himmelschreiender Naivität wächst sie, als sie auch noch die Schneekugel weggeben soll, über sich hinaus. Matthias Freihof gab den Christophe als einen, der händeringend versucht, die außer Kontrolle geratene Situation einzurenken. Gestik und Mimik entgleisten förmlich. Christina Rainer glänzte in der Rolle der Patricia. Ihre anfängliche Frostigkeit konnte man förmlich riechen. Als sie begreift, was vorgeht, wird sie zum explosiven Kraftpaket, das die Puppen tanzen lässt.
 
Das Publikum, um die 300 Personen, folgte gebannt. Der Szenenapplaus war häufiger als sonst, die Lachsalven waren mit Freudenschreien untermischt. Der Schlussbeifall war lang und überaus herzlich. Die Schauspieler bedankten sich für den Beifall, indem sie ihrerseits dem begeisterten Publikum zu klatschten. Ein hervorragender Abend.
 
Von Wolfgang Motzkau-Valeton,Die Harke, 10.3.2009
 
   

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Scheinbar Ärger in "Schatzikistan"
Heddesheim: Satirische Komödie "Venedig im Schnee" begeistert im Bürgerhaus

Luftig und leicht wie ein typisch französisches Soufflee, so kommt die köstliche Komödie "Venedig im Schnee" daher. Kein Wunder: Stammt das Stück im Original doch auch aus der Feder des Franzosen Gilles Dyrek. Im nahezu voll besetzten Heddesheimer Bürgerhaus wünschte Rainer Haas von der gleichnamigen Konzertdirektion als Gastgeber neben der Gemeinde eingangs "viel Spaß". Und wie die Zuschauer auch den vorletzten Abend dieser allseits besonders gelobten Spielzeit genossen!
 
Erneut bewiesen nämlich aus dem Fernsehen vielfach bekannte Schauspieler, dass sie ihre Kunst von der Pike auf gelernt haben. Für ihr temperamentvolles Spiel bekommt - nomen est omen - Kathrin Spielvogel als Nathalie sogar Szenenapplaus. Wie sie sich vom Turteltäubchen im Nu zur beleidigten Zicke verwandelte, das beeindruckte. Nicht minder großartig agierte Christina Rainer als die störrische Liebende, den Fans der früheren TV-Serie "Samt und Seide" ebenfalls bestens in Erinnerung wie Spielvogel. Worum ging es? Der einfältige Jean-Luc (René Hofschneider aus "Küstenwache") und Nathalie bekommen kurz vor ihrer Hochzeit Besuch: Jean-Lucs alter Studienfreund Christophe (Darsteller Matthias Freihof ist auch im Kinofilm "Operation Walküre" zu sehen) bringt seine zunächst seltsam schweigsame Freundin Patricia mit. Dass die an seiner Liebe Zweifelnde lediglich aus Bockigkeit anfangs stumm bleibt, erfährt nur das Publikum. Das offenbar schwer verliebte Gastgeberpaar dagegen hält Patricia für eine bedauernswerte Ausländerin.
 
"Dein Land, wo?" In dieser beschämenden Art und Weise reden Jean-Luc und Nathalie fortan mit dem vermeintlichen Flüchtling aus dem frei erfundenen "Schatzikistan". Genervt von jenem Kosenamen, den das andere Paar ständig gebraucht, hat Patricia schalkhaft und zum Entsetzen Christophes eine Eulenspiegelei gestartet, bei der sie höchst amüsant in einer erfundenen Sprache kauderwelscht.
 
Spätestens, als Jean-Luc ausgerechnet Nathalies Lieblingsglaskugel "Venedig im Schnee" zur Schatzikistan-Spende umdeklariert, schwindet bei dem ach so verliebten Schmusepaar der Gattung "Gutmensch" der schöne Schein. In einer gelungenen Mischung aus Boulevardkomödie und Gesellschaftssatire wird scheinheiliges Getue entlarvt.
 
Von Peter Jaschke, Mannheimer Morgen, 16. März 2009
 
   

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Großangriff auf die Lachmuskeln
Wirklich sehenswert

Düsseldorf - Sie wollen mal wieder wirklich herzlich lachen? Dann sollten Sie die "Komödie" Steinstraße besuchen. Den Theatermachern Helmuth Fuschl und Paul Haizmann ist ein echter Humor-Coup gelungen.
 
Kräftiger Premierenjubel gestern abend für "Venedig im Schnee" - ein Großangriff auf die Lachmuskeln.
 
Eine herrliche Geschichte. Jean-Luc hat seinen früheren Studienkollegen Christophe getroffen, zu einem Abendessen eingeladen. Nur widerwillig geht dessen Freundin Patricia mit. Weil ihr das Dauergeturtel von Jean -Luc und Freundin Nathalie ("Schatzi, Schatzi") auf die Nerven geht, schweigt sie trotzig. Die vermuten nun, sie sei eine Ausländerin. Patricia spielt das Spiel mit ("Komme aus Schatzikistan").
 
Spielfreudige Schauspieler. Große Klasse wie Christina Rainer mit unglaublicher Mimik die vermeintliche Ausländerin gibt. Jede Rolle passt wie ein maßgeschneiderter Anzug. Kathrin Spielvogel, Matthias Freihof und René Hofschneider gelingt die schmale Gradwanderung zwischen KIamauk und herrlicher Situationskomik.
 
Orkanartiger Beifall. Und manchem Besucher tat auf dem Nachhauseweg das Zwerchfell so richtig weh.
 
Von Jörg Hakendahl, BILD Düsseldorf, 6. März 2008
 
   

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Missverständnis als Knalleffekt
PREMIERE Temporeich und sarkastisch - die Inszenierung der französischen Satire "Venedig im Schnee" in der Komödie.

Düsseldorf. Sie sind ganz schrecklich ineinander verliebt - Nathalie und Jean-Luc. Das junge Glück steckt mitten in den Vorbereitungen für die Hochzeit. Doch vorher gibt es noch ein heimisches Abendessen mit Jean-Lucs ehemaligem Studien-Kollegen Christophe. Beim Tischdecken und Gratin-Aufwärmen wird geturtelt auf Teufel komm raus. Dann klingeln die erwarteten Gäste an der Tür, und mit Christophe und seiner Partnerin Patricia schneit ein Duo herein, das auf Dissens programmiert zu sein scheint. Jedenfalls macht Patricia ein Gesicht, als sei sie ob der Einladung alles andere als amüsiert.
 
Christophe gibt sich sichtbar Mühe, eine gute Miene zu machen. Doch das fällt ihm immer schwerer, denn Patricia sagt zu den Gastgebern kein Wort. Während Christophe mehr und mehr ins Schwitzen gerät, rätselt das unermüdlich sich mit "Schatz" anredende und bützende Gastgeberpaar über die Ursache für das mysteriösen Schweigen. Vermeintlich fällt der Groschen, und man ist sich sicher, mit Patricia eine Ausländerin vor sich zu haben, die kein Wort Französisch versteht. Dies ist die Ausgangssituation für die Satire "Venedig im Schnee" des französischen Autors Gilles Dyrek, die nun in der Komödie an der Steinstraße Premiere feierte.
 
Mit der Zeit gewinnt die Konversation immer mehr an Fahrt
 
Dieses Missverständnis ist der Kern des Ganzen und funktioniert wie ein Thema mit Variationen. Anfangs befürchtet man noch, die Idee könnte sich abgreifen, doch mit der Zeit gewinnt die verquere Konversation an Fahrt. Dies gelingt vor allem dadurch, dass Patricia beginnt, den Gastgebern die Ausländerin vorzuspielen. Und ihr entsetzter Partner sitzt hilflos daneben. Ihm will es nicht mehr gelingen, die Sache aufzuklären. Denn das Schatzi-Pärchen ist ganz vernarrt in die Vorstellung, eine Exotin am Tisch sitzen zu haben. Die anfangs übellaunig unterkühlte Patricia taut immer weiter auf und hat ihre bösartige Freude an der unfreiwilligen Rolle.
 
Mit subtilem Mienenspiel und sarkastischem Witz spielt Christina Rainer die Rolle der Patricia. Und Kathrin Spielvogel wirkt als Turteltäubchen Nathalie herrlich aufgekratzt. Temporeich spielen unter der Regie von Ulf Dietrich auch die Herren Matthias Freihof (Christophe) und René Hofschneider (Jean-Luc).
 
Auf Anfrage des Schatzi-Paares lässt sie mit bittersüßer Freundlichkeit verlauten, sie komme aus Schatzikistan mit seiner Hauptstadt Schatzigrad. Patricia wird dabei immer euphorischer und erfindet ein Fantasiewort nach dem anderen. Aus "ja" wird "joi", und mit einem enthusiastischem "Joi!" nimmt sie allerhand Spenden für ihr armes Schatzikistan entgegen. Ihr Partner zischt ihr in einem unbeobachteten Moment zu, dies sei Diebstahl. Patricia kümmert es wenig. Im Gegenteil: Als Jean-Luc noch zu verstehen gibt, einen Scheck für Schatzikistan ausstellen zu wollen, wiederholt Patricia frohlockend: "Schääck!"
 
DER HAUPTDARSTELLER
Matthias Freihof Einem größeren Publikum wurde Freihof durch den Film "Coming Out" bekannt, für den er 1990 den Darstellerpreis erhielt. Der Film wurde mit dem "Silbernen Bären" ausgezeichnet und Freihof selbst wurde liebevoll zum James Dean des Ostens gekürt. Er spielte zudem in Heinrich Breloers preisgekröntem Dokudrama "Todesspiel" und kürzlich in der Hollywood-Produktion über das Attentat auf Hitler - neben Tom Cruise als Stauffenberg - die Rolle des SS-Chefs Himmler. Von 1998 bis 2002 spielte er in der Krimiserie "Siska" den Kommissar Lorenz Wiegand.
 
Von Lars Wallerang, Westdeutsche Zeitung, 7.03.2008
 
   
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Schatzi hin, Schatzi her
Komödie. "Venedig im Schnee" ist beste Unterhaltung und feierte jetzt eine umjubelte Premiere. Zu lachen gibt es viel bei diesem Lustspiel, vor allem aus Schadenfreude.

Nathalie und Jean-Luc lieben sich, knutschen und turteln. Auch dann, wenn sie sich und ihren Freunden einen schönen Abend machen wollen. Das Liebespaar hat gekocht, die neubezogene Altbauwohnung festlich dekoriert und freut sich. Das kann nur gut gehen, denken sie, als es klingelt. Doch da haben die Zwei ihre Rechnung ohne die Gäste gemacht. Denn Jean-Lucs alter Kumpel Christophe hat einen neuen Schwarm - Patricia. Sie mischt den Abend derart auf, dass die heile Welt von "Schatzi" und "Schatzilein" aus den Fugen gerät. Gefühle verwirren und verirren sich mächtig in "Venedig im Schnee". So der Titel der Komödie von Gilles Dyrek, die in der Komödie eine bejubelte Premiere erlebte.
 
Beißende Gesellschaftsatire
 
Vorweg: Zu lachen gibt's viel in diesem Lustspiel. Besonders aus Schadenfreude. Turbulente Situationskomik und überbordend komische Figuren - all das bietet das französische Stück, das in Paris spielt, genauso wie beißende Gesellschaftssatire. Vorurteile über Flüchtlinge aus Kriegsgebieten werden ebenso spitz karikiert wie das Gesäusel über Solidarität und Mildtätigkeit der Benefiz-Society. Doch der Autor versteht es, die Häme elegant zu verpacken. Er setzt kleine Nadelstiche - die von vier auftrumpfenden Schauspielern exzellent über die Rampe gebracht werden.
 
Geleitet wird das gut eingespielte Quartett von Regisseur Ulf Dietrich, der auf Leichtigkeit und Tempo setzt, aber auch schräge Typen herausschält. Beispielsweise Patricia (hinreißend gemein: Christina Rainer). Anfangs geht ihr (wie auch dem Zuschauer) das betuliche Gurren von "Schatzi" hin, "Schatzi" her auf die Nerven. Beinahe arrogant und sprachlos lässt Patricia die Gastgeber auflaufen und im Glauben, dass sie eine Ausländerin sei, eine Frau vom Balkan.
 
Bis sich die Balken biegen
 
"Schatzi-Kistan" heißt das Land, "Schatzi-Grad" die Stadt. Naiv glauben Nathalie und Jean-Luc ihr. Klar, dass sie eben noch spröde Patricia an der Leichtgläubigkeit Gefallen findet. Und so nimmt sie die Freunde auf die Schippe, nutzt ihre Großzügigkeit schamlos aus. Sie erfindet immer abstrusere Geschichten, so dass sich am Ende die Balken der Mansarde biegen. Neben Kathrin Spielvogel und René Hofschneider, die als liebreizende Gastgeber alle Register ziehen, sticht Matthias Freihof hervor, als Christophe auf der Achterbahn. Hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu Patricia und der Zuneigung zu Jean-Luc, gerät er zunächst ins Schwitzen, dann ins Stottern und gibt am Ende allen Affen Zucker.
 
Von Michael-Georg Müller, NRZ, 7.03.2008
 
   
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"Komödie": Im Land der Schatzis und Spatzis
Witzige Dialoge, dem Leben abgelauscht

Es flattern die Koseworte, es fliegen die Küsse, es ist alles rosarot bei Jean-Luc (René Hofschneider) und Nathalie (Kathrin Spielvogel). Gnadenlos gut gelaunt bereitet sich das Pärchen auf den Besuch von Christophe (Matthias Freihof) und Patricia (Christina Rainer) vor. Die Männer haben zusammen studiert und sich zehn Jahre nicht gesehen. Doch die Gäste kommen streitend. Er will's verbergen, fleht um Harmonie. Doch sie, ganz Rachegöttin, zischt: "Ich bleibe, aber es wird die Hölle für dich!"
 
So bereitet der französische Autor Gilles Dyrek den Boden für sein leichtfüßiges Stück "Venedig im Schnee", das in der "Komödie" Premiere hatte. Der Parcours für zwei Paare bezieht seinen Reiz aus einer Mutmaßung: Weil Patricia stets schweigt, glauben die Gastgeber, sie sei Ausländerin. Was Klischees nach sich zieht, die bei "Mango an Feldsalat" in der Frage "Isst sie das?" ihren giftigen Gipfel erreichen. Derart provoziert, nimmt Patricia voller Wollust die ihr zugedachte Rolle an und stößt kehlige Laute in einer Phantasiesprache aus. Mit dem listig erfundenen Heimatland "Schatzikistan" spornt sie das "Schatzi-Paar" zu immer neuen Fragen an und zwingt ihrem Freund den Part des Komplizen auf. So wird aus Schatzikistan Absurdistan.
 
Die Raffinesse des Autors und die geschickte Regie von Ulf Dietrich lassen die Komödie nie zur Klamotte entgleisen. Wie Beziehungen zerbröckeln können und Verhaltensmuster entlarvt und auf die Spitze getrieben werden, ist dem Leben abgelauscht und hat höchsten Unterhaltungswert. Voller Spielfreude schmeißt sich das Quartett ins Geschehen, jeder ein Meister seiner Rolle. Witzige Dialoge, gekonnt gesetzte Pointen halten den Spaß über zwei Stunden aufrecht - bis zum Knalleffekt am Schluss.
 
von Regina Goldlücke, Rheinische Post, 7.03.2008
 
   
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